Bach-Suiten in neuem Licht - CD-Tipp: Cello-Werke auf der Laute
In der Blüte des Barocks gehörte es für Komponisten zum sprichwörtlich guten Ton, musikalische Ideen und Entwürfe geschätzter Kollegen wie selbstverständlich aufzugreifen, um sie „veredelt“ in eigene Werke einfließen zu lassen.
Vor dem Hintergrund eines europaweit florierenden Geschäfts mit gedruckten Werkausgaben begann man ökonomisch zu denken und kultivierte im Parodieverfahren auch die Mehrfachverwertung eigener Schöpfungen.
Zu den Meistern dieser Praxis zählt Johann Sebastian Bach, der viele seiner Arien, Chor- und Instrumentalsätze in meist leicht variierter Form und mit neuen Texten versehen, in neue Kompositionen überführte.
Erstaunliche Lässigkeit bewies er gleichfalls bei der Besetzungsfragevieler seiner Solowerk für Tasten- und Streichinstrumente. Solange der grundlegende Charakter der Komposition erhalten blieb, war erlaubt, was gefiel. Ein schönes Beispiel dafür¨r findet sich mit der fünften, der sechs Suiten für Violoncello solo. Von einem befreundeten Virtuosen um ein Lautenstück gebeten, griff Bach kurzerhand auf besagt Suite zurück und arrangierte sie effektvoll um.
Hopkinson Smith, einer der renommiertesten Lautenisten unserer Tage, nahm sich wiederum dieses Bach-Arrangement zum Vorbild und richtetet auch die weiteren fünf Suiten für seine(e) Instrument(e) ein. Nachzuhören sind die in jeder Hinsticht überzeugenden Resultate nun auf zwei CDs. Das wirklich verblüffende an diesen Interpretationen ist eine von Smith mit innig leuchtender Expressivität und schwebender Eleganz erzeugte, geradezu plastische Gesanglichkeit, die deutlicher noch als in mancher Cello-Einspielung, den liedhaften Kern der hochkomplexen Kompositionen freilegt. Einezusätzliche, fast meditative Tiefe gewinnt Smiths Lesart durch die Wahl gemäßigter bis langsamer Tempi, die in Verbindung mit seinem klangfarblich schillernden Spiel eine Fülle an filigranen Details in den Vordergrund treten lassen. Ideal gestützt ist diese Detailarbeit durch die kluge Wahl der Instrumente. Mit einer speziell konstruierten Basslaute des frühen 18. Jahrhunderts, deren charakteristisches Klangbild war timbriert und körperlich ist, sowie mit einer dreizehnchörigen italienischen Barocklaute gelingt es dem famosen Arrangeur und Virtuosen Smith, Bachs Suiten in ein neues, verführerisch strahlendes Licht zu rücken.
Recklinhäuser Zeitung