HOPKINSON SMITH

Hopkinson Smith has been called the most moving of present day lutenists...he approaches the lute's universe with a musicality which goes far beyond the seemingly limited voice of his instrument. We invite you to explore on this website the magic of his lute and its music.

Hopkinson Smith: „Das Wichtigste ist, dass man lernt zu hören, wie ein Lehrer hört.“

Hopkinson Smith ist Lautenist und Spezialist für Alte Musik, geboren in den Vereinigten Staaten. Er gehört zur Pioniergeneration der Alten Musik. In den 1970er Jahren ließ er sich in der Schweiz nieder, in Basel, wo er lange Zeit an der Schola Cantorum Basiliensis unterrichtete und wo er noch heute lebt. Eine Begegnung.

Herr Smith, Sie gehören gewissermaßen zur Pioniergeneration der Lautenisten der Alten Musik-Szene. Sie sind in den USA geboren und kamen Anfang der Siebzigerjahre nach Europa, nach Basel. Erzählen Sie uns doch, wie es in den sechziger oder siebziger Jahren in den USA war, Lautenist werden zu wollen.

Ja, ich hatte, bevor ich dann in die Schweiz kam, sieben Jahre in Boston gelebt, und damals gab es dort vor allem eine ziemlich präsente Amateurbewegung, und so ein paar Individuen hier und da. Aber es existierte in Amerika noch kein Ort, wo man ernsthaft Laute hätte studieren können. So bin ich also 1973 nach Basel gekommen, um bei Eugen Dombois zu studieren. Das war der erste Anziehungspunkt für mich. Und ja, damals dachte ich, ich käme für ein Jahr… (lacht) – und jetzt, fast 50 Jahre später, bin ich immer noch hier!

Und warum sind Sie geblieben?

Naja, es gab einfach immer Konzerte zu spielen. Ich habe mit Jordi Savall und Montserrat Figueras angefangen zu spielen, dann wurde ich als Assistent von Eugen Dombois angestellt, habe immer mehr unterrichtet, und so weiter. Und außerdem habe ich natürlich meine Frau kennen gelernt, wir bekamen drei Kinder, und so wuchsen meine Wurzeln von ganz alleine immer tiefer in den schweizerischen Boden.

Was waren die wichtigsten Stationen Ihres Werdegangs als Student, als junger Musiker?

Nun, das war einmal die offizielle Ausbildung an der Schola Cantorum, und andererseits eine unendliche Ausbildung – oder eine Wachstumsmöglichkeit – in der Welt, der Musikwelt; das muss man vielleicht unterscheiden. Und ja, für meinen Werdegang waren vor allem drei Personen wichtig: Einmal natürlich Eugen Dombois, als erster richtiger Lautenist, bei dem ich Unterricht hatte. Und ich glaube, das wichtigste für das Lautenspiel ist, dass man lernt zu hören wie ein Lehrer hört. Denn wenn man das gelernt hat, dann kann man Probleme definieren, und das ist schon die Hälfte des Wegs zur Lösung. Daneben nahm ich bei Emilio Pujol in Spanien in einigen Sommerkursen Unterricht in Barockgitarre und Laute, habe auch für ihn gespielt; er war sicher auch ein wichtiger Einfluss für mich. Und dann habe ich einige Jahre lang in den Kursen von Alfred Deller eine Sängerin begleitet, und er war natürlich eine absolut faszinierende Persönlichkeit, mit einem hervorragenden Sinn für Klang und Poesie. Das hat mich ebenfalls sehr beeindruckt. Ja, und außerdem war da meine Zusammenarbeit mit Jordi Savall: Da haben wir auch wichtige Schritte gemacht und das hat mir wiederum viele neue Wege eröffnet. Aber im Endeffekt geht es immer weiter mit dem Lernen, wenn man etwas Gutes hört, mit der Weite, mit der Tiefe, dem Klanggefühl …

Nun gibt es ja für die Laute außergewöhnlich vielfältige und unterschiedliche Repertoire-Möglichkeiten. Worauf haben Sie sich da hauptsächlich konzentriert, was haben Sie am häufigsten, was am liebsten gespielt?

Ja, wir haben wirklich ein embarrassment of riches, wir haben mit den alten Zupfinstrumenten viel mehr Repertoire als einige andere Instrumente: für Gitarre, Vihuela, Barockgitarre, Renaissancegitarre, Laute, Barocklaute, Theorben etcetera. Und ich wollte immer in verschiedene Richtungen gehen, unterschiedlichste Dinge ausprobieren; meistens verbunden mit einer Reihe von Konzerten und eventuell einer Aufnahme. Ich glaube, so habe ich im Laufe der Jahre fast 30 Soloaufnahmen gemacht mit den verschiedensten Sachen: italienische Musik des 16. Jahrhunderts, Kapsberger vom Anfang des 17. Jahrhunderts, die Attaingnant-Drucke, zwei Projekte mit englischer, elisabethanischer Musik, von Dowland, Holborne und so weiter, dann Musik aus dem Frankreich des 17. Jahrhunderts, Gallot, Guerau, Mouton, im 18. Jahrhundert mehrere Weiss-Aufnahmen, dazu glaube ich sechs Bach-CDs und schließlich auch noch die Kammermusik mit Laute aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts — das sind einige Beispiele der Vielfalt, in der wir Zupfinstrumentenspieler schwelgen können.

Und haben Sie bei den Instrumenten einen Favoriten?

Nein. Das Instrument, das ich jeweils gerade spiele, ist immer so eine Welt für sich, dass ich nicht von etwas anderem träume.

Also, im Grunde genommen ist alles Ihr Lieblingsrepertoire…

Ja, eben immer das, was ich im Moment spiele.

Gab es aber einen Komponisten, von dem Sie sagen würden, der hat am besten für die Laute geschrieben, der hat am besten verstanden, was sie braucht und was sie kann?

Das ist eine gute Frage … Aber ich glaube, da sind so viele verschiedene Annäherungen an die Laute in verschiedenen Epochen möglich, dass man, wenn man viel Zeit mit einem Repertoire verbringt — es monatelang übt, wiederholt, darüber nachdenkt, immer verschiedene Annäherungsweisen, — immer Techniken findet, die dazu gehören, und oft sind die Instrumente und Techniken einer Epoche die wirkliche Stimme eben dieser Epoche. Es ist also nicht so, dass ich zum Beispiel bei Dowland oder Holborne irgendetwas vermissen würde: Da ist soviel Fantasie, soviel Sinn für Rhythmus, da vermisst man nicht das lyrische Element! Oder die Toccaten von Kapsberger: Die sind voller Wechsel und Kontraste, da fehlt kein Element, das da zufällig gerade nicht ist!

Gibt es also sozusagen verschiedene Lautensprachen bei den verschiedenen Komponisten, die man auch technisch anders angehen muss?

Ja, unbedingt! Zum Beispiel habe ich mich in den letzten Jahren viel mit den allerersten italienischen Quellen für Laute beschäftigt, Francesco Spinacino, Ambrosio Dalza, und das sind zwei Zeitgenossen, die eine ganz unterschiedliche Annäherung an das Instrument hatten: Der eine, Spinacino, ist eher ein Träumer, ein etwas wilder Erzähler in einem narrativen Stil, während Dalza eher der Lautenspieler in der Taverne ist, mit mehr Tanzmusik, und Stücken, die von einer populären Kultur inspiriert sind. Also das totale Gegenteil seines Kollegen. Und jeder von beiden geht auf seine eigene besondere Weise mit dem Instrument um.

Und macht das dann vor allem rein musikalisch — also hinsichtlich Ihrer Interpretation — einen Unterschied, oder muss man bei jedem Komponisten auch technisch anders mit der Laute umgehen, vielleicht andere Griffe nehmen oder so?

Da sind schon große Unterschiede. Von der Technik her braucht man vielleicht bei dem einen ein bisschen mehr in die eine Richtung als bei dem anderen, wo es in die andere Richtung geht. Aber die Handhaltung ist mehr oder weniger gleich. Doch außerdem geht es auch um das Instrument, und da braucht man beispielsweise für dieses frühe italienische Repertoire ein Instrument mit Oktavsaiten im Bass, genauer: je eine Oktavsaite im dritten, vierten, fünften und sechsten Chor. Das eröffnet eine ganze Welt an Klang und Resonanz — die man später aber nicht mehr wollte. Zum Beispiel bei Francisco da Milano, der schon der nächsten Generation angehörte: Da gibt es viel mehr Entwicklung in Polyphonie und Imitation, und das würde mit so vielen Oktavsaiten ein ziemliches Durcheinander verursachen. Aber das frühere Repertoire ist eben anders komponiert und  gedacht, und braucht mehr von diesen Oktaven, von der Resonanz, die dadurch entsteht.

Wo steht denn die Lautenwelt hinsichtlich dieser Feinheiten heute: Haben Sie das Gefühl, dass alle Lautenisten die Dinge umsetzen, dass es da ein allgemein zugängliches Basiswissen gibt, das alle befolgen? Also, ist die Laute heute ein Instrument, das im allgemeinen technisch und musikalisch ganz gut beherrscht wird? Sie dürften ja nach ihrer jahrzehntelangen Lehrtätigkeit an der Schola Cantorum Basiliensis einen ganz guten Einblick haben.

Ja, da sind immer mehr interessante Individuen, die Laute spielen, und das entwickelt sich sehr spannend weiter: Es werden jetzt Repertoires entwickelt, von deren Existenz man vor 20 Jahren noch gar nichts wusste. Und das Lauteninstrument im Continuo-Einsatz — also, meistens als Theorbe oder Barockgitarre — ist jetzt fast überall präsent, wo es vor 20 oder 30 Jahren noch eher die Ausnahme war; in Barockopern, in kleinen und großen Ensembles. Da ist die Laute viel häufiger zu hören als früher. Und wirkungsvoll!

Ja, das stimmt. Das macht wirklich einen Unterschied im Klang. Ich denke gerade zum Beispiel an dieses italienische, das neapolitanische Repertoire, in dem man vor 20 oder 25 Jahren noch kaum mal ein Lauteninstrument gehört hätte …

Genau. Aber gut, vor 40 Jahren gab es noch kaum einen Barockgeiger in Italien, oder auch Sänger, die etwas von diesem früheren Repertoire verstanden, die sich auf diese früheren Techniken spezialisiert hätten. Und jetzt hat Italien doch ein breites Spektrum an Alter Musik, und auch die Zupfinstrumente sind präsent.

Aber auch in Deutschland: Ich glaube, hier war es vielerorts vor zehn Jahren noch nicht üblich, dass man eine Laute ins Continuo einband.

Ja, das ist richtig.

Und wie war das für Sie beim Unterrichten an der Schola: Kamen Ihre Studenten gewöhnlich schon mit einem gewissen Grundwissen, einer guten Technik? Denn ich sehe bei vielen Alten Instrumenten leider noch immer so ein wenig das Problem, dass es zwar durchaus Orte gibt, wo man eine gute Hochschulausbildung dafür bekommen kann, aber vorher gibt es zumindest in Deutschland fast keine Möglichkeiten, vor Ort Unterricht zu bekommen, weil Schulen und Musikschulen nach wie vor im Bereich der historischen Aufführungspraxis so gut wie nichts anbieten. An kaum einer Schule wird auch nur Cembalo gelehrt, geschweige denn irgendetwas anderes, und die Kinder könnten also als Zupfinstrument höchstens Gitarre lernen, wenn sie nicht irgendwo Privatunterricht bekommen. Wie ist das dann, wenn die an die Hochschule kommen?

Das hat sich schon ein bisschen geändert, denn vergessen Sie nicht: Am Anfang stand die Blockflöte! Die gab es überall, auch in Deutschland, als Schulinstrument, denn sie bietet halt die Möglichkeit, Kindern mit einem relativ günstigen und einfach zu erlernenden Instrument ein bisschen Musik beizubringen. Einige blieben dann auch dabei, und so hat sich das schon weiterentwickelt. Aber gut, vor allem an den Hochschulen. Da gibt es doch inzwischen auch in Deutschland einige, wo man Laute lernen kann. Ich weiß allerdings nicht sehr viel darüber, wie es in Deutschland mit den Kindern ist, aber ich sehe zum Beispiel, dass etwa in Holland und Frankreich sehr viel Sozialarbeit mit Musik gemacht wird, und da gibt es durchaus auch mal Alte Instrumente. Und ich glaube, das wird schon auch in Deutschland kommen, denn diese Instrumente haben so eine schöne Ausstrahlung und der Zupfklang trifft die musikalische Seele auf eine besondere Art: Wenn man das hört, dann will man das lernen! Aber natürlich gibt es derzeit auch die Tendenz, dass die Künste in den Schulen, bei den Kindern und Jugendlichen ein bisschen vernachlässigt werden, und das ist eigentlich ziemlich dumm. Besonders jetzt, wo soviel Technisches von ihnen gefordert wird, wäre es noch wichtiger, dass die musische Sphäre einen wichtigen Platz in der Ausbildung behält.

Es gibt ja auch diverse Studien dazu, die zeigen, dass Kinder, die  neben dem reinen Schulunterricht noch ein Instrument lernen oder auch regelmäßig singen, sogar in den anderen Fächern bessere Noten haben, sozial kompetenter und ausgeglichener sind, und so weiter.

Und ich meine auch, das Zusammenspiel mit anderen Kindern ist ein großartiger Ausgleich zum vor-dem-Computer-Sitzen.

Ja, allerdings! Wie wichtig sind denn Instrumentenbauer für die Lautenwelt, und wie ist da die Lage heutzutage?

Der Instrumentenbau hat sich eigentlich parallel zum Lautenspiel weiterentwickelt. Die Lauten, die zum Beispiel in den sechziger Jahren gebaut wurden, sind heute also nicht mehr so interessant für uns, und natürlich wird es immer interessanter, je genauer ein Instrumentenbauer ein Instrument auch studiert hat, das er nachbaut. Der Aspekt des Instrumentenbaus, der nach wie vor der wichtigste ist, ist aber das Gehör des Instrumentenbauers. Wenn er oder sie da ein Klangvorbild hat und sucht und sucht und probiert, richtig hinein zu hören — und dann noch weiß, welche Punkte er wie ändern muss, um das zu erreichen, was ihm vorschwebt: Das ist das wichtigste am Instrumentenbau. Das Handwerkliche können viele Leute wirklich sehr, sehr gut, aber nur die wenigsten hören richtig hinein und suchen eine bestimmte Klangfülle.

Wenn nun Studenten zu Ihnen kommen: Was bringen die für Instrumente mit? Also wie ist es in der Fläche bestellt, mit dem Lautenbau?

Das ist wie überall: Manche haben sehr gute Instrumente, manche etwas rustikale, manche haben Fabrikinstrumente, die preiswert, aber oft gar nicht so schlecht sind. Aber wenn man ein bisschen Ahnung von einer sehr tiefen Resonanz in allen Registern hat, und von einem guten Ausgleich zwischen den verschiedenen Registern eines Instruments, dann wird man vermutlich nur mit einem Instrument eines ziemlich guten Bauers glücklich werden. Die Schola Cantorum Basiliensis hat aber zum Beispiel auch ein paar sehr gute Lauteninstrumente zum Ausleihen für Studenten. Und wenn man ein gutes Instrument mit vielen Möglichkeiten hat, dann kommt man im Studium auch schneller vorwärts.

Sie haben ja nun an der Schola unterrichtet, dazu Masterclasses, Workshops und Kurse auf der ganzen Welt gegeben, und das alles über Jahrzehnte. Haben Sie dabei vom Unterrichten auch selbst profitiert? Wie sehen Sie das?

Das ist immer sehr stimulierend, ein Stimulus nicht nur, weil man Ideen bekommt, die man vorher nicht hatte, sondern es ist auch einfach das Treffen mit einem anderen Wesen, das in die gleiche Richtung gehen möchte. Es ist also eine sehr dankbare Arbeit — meistens (lacht). Und ich muss sagen, es hilft mir auch, mich auf das zur fokussieren, was für mich wichtig ist, wenn ich dann nachhause gehe und übe.

Was sagen Sie Ihren Schülern, Ihren Studenten, was das Wichtigste am Lauten-Lernen ist?

Das Hören, das Üben. Und nicht zu schnell Ensemblearbeit zu machen, sondern bei der Vorbereitung interessanter Projekte wirklich in die Tiefe zu gehen. Die denken da genau wie sie meinen, dass die Professionellen denken: Dass sie mit kurzer Probenzeit ein Projekt auf die Beine stellen wollen und können. Aber das ist dann oft ein bisschen zu schnell und bräuchte mehr Tiefe, mehr innere Beteiligung.

Woran arbeiten Sie selbst nun augenblicklich, oder in nächster Zeit?

Ich unterrichte jetzt nicht mehr so viel, und wenn, dann vor allem im Weiterbildungsinstitut an der Schola. Und in letzter Zeit habe ich mich vor allem in zwei Repertoire-Richtungen bewegt: Erstmal zusammen mit der Sopranistin Sophie Klussmann in der Musik für Stimme mit Lautenbegleitung in den ersten Quellen des 16. Jahrhundert: Petrucci in Venedig und Attaingnant in Paris. Da haben wir auch eine CD aufgenommen, unter dem Titel Chansons und Frottole. Die soll im Sommer dieses Jahres rauskommen. Und diese Stücke sind wie feine Perlen, die in dieser Besetzung noch sehr an Intimität und Wirkung gewinnen. Und die zweite neue Richtung ist ein Projekt für das Dowland-Jahr 2026, sein 400. Todesjahr: Der Lachrimae-Zyklus, mit Seven Passionate Pavans und anderen Stücken ist die größte Ensemblekomposition Dowlands. Obwohl die Besetzung für Streicher ja eine Partie für die Laute hat, ist die doch eher eine Art rudimentäre Begleitung. Mein Projekt war nun, eine richtige Lauten-Soloversion des fünfstimmigen Satzes zu erstellen, und dabei ist ein ganz anderer Dowland entstanden. Das Programm habe ich im letzten November aufgenommen und die CD sollte Anfang 2026 erhältlich sein.

Also, Sie denken noch nicht ans Aufhören …?

Nein, nein. Ich habe noch viel zu tun!

Von Andrea Braun